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Stellhebel gegen Fachkräftemangel

Auch in diesem Jahr hat die Stadt Bendorf beim Bendorfer Wirtschaftstag sowohl mit der Wahl des Themas als auch mit der Wahl der Referentin voll ins Schwarze getroffen. Rund 160 Gäste sind am 15. April in die Krupp’sche Halle der Sayner Hütte gekommen, um dem Vortrag von Andrea Nahles über „Stellschrauben gegen Fachkräftemangel“ zu lauschen und Informationen und Erfahrungen auszutauschen.

Der Fachkräftemangel ist derzeit die größte Sorge der Bendorfer Unternehmen – das konnte Bürgermeister Christoph Mohr bei seinen zahlreichen Firmenbesuchen in den vergangenen Jahren erfahren. Der demographische Wandel, die Digitalisierung und die Dekarbonisierung stellen die Betriebe vor große Herausforderungen. „Deshalb ist es wichtig und richtig, sich mit dem Thema Fachkräftemangel auseinanderzusetzen“, so Mohr in seiner Begrüßung.

Auch Landrat Dr. Alexander Saftig betonte die Wichtigkeit für die Region, qualifizierte Fachkräfte zu finden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Nur dann, wenn wir Fachkräfte haben, können wir die Zukunft gestalten.“

Als Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist Andrea Nahles eine kompetente Ansprechpartnerin, wenn es darum geht zu definieren, wie bislang ungenutzte Potenziale auf dem Arbeitsmarkt gehoben werden können.

In den vergangenen Jahren habe sich der Arbeitsmarkt vom Arbeitgebermarkt mit einem Überhang von Bewerbern zum „Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt“, auf dem die Bewerberinnen und Bewerber nach den besten Konditionen für sich fragen können, entwickelt.

Bis 2035 würde Deutschland hauptsächlich durch Ruhestand 7,5 Millionen Arbeitskräfte verlieren. Die Hälfte müsse durch inländisches Potenzial ersetzt werden, der zweite Teil müsse durch Einwanderung gewonnen werden.

Die BA-Vorsitzende sprach über inländisches Potenzial in Form von jungen Menschen, Frauenerwerbstätigkeit und älteren Menschen.

Viele junge Leute seien verunsichert, was sie nach der Schule machen sollen. Hier müssten die Eltern als Berater eingespannt werden, falsche Vorstellungen von Ausbildungsberufen beseitigt und die Chancen der dualen Ausbildung beworben werden.

Vielfach können Betriebe Ausbildungsplätze nicht besetzen, weil sie keine passende Kandidatin oder keinen passenden Kandidaten finden und die Kompetenzen der Nachwuchskräfte auch nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen. Hier könne die Assistierte Ausbildung der Agentur für Arbeit greifen.

In Hinblick auf Frauen gehe es darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diejenigen, die in Teilzeit arbeiten, ihr Arbeitsvolumen steigern können. Auch Berufsrückkehrerinnen könnten noch besser gefördert werden, ist Andrea Nahles überzeugt.

Immer mehr Seniorinnen und Seniorinnen möchten nach der Rente weiterarbeiten – aufgrund des zusätzlichen Einkommens, aber auch weil sie Spaß an der Tätigkeit haben und aktiv sein wollen. Hier sei es an den Arbeitgebern passende Modelle zu schaffen.

Eine regionale Arbeitsmarkt-Drehscheibe kann Transparenz schaffen und Unternehmen vernetzen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen müssen und solche, die Fachkräfte suchen.

Neben dem inländischen Potenzial sieht Andrea Nahles die zweite Stellschraube in der Automatisierung von Prozessen. Diese sei eine gute Antwort auf die Demographielücke und „kein Schreckgespenst“, wenn man es geschickt mache.   

Deutsche Unternehmen müssen sich die Automatisierung zu eigen machen, um die Lücken einer alternden Belegschaft zu schließen.

Nicht zuletzt sei die Zuwanderung ein wichtiger Faktor bei der Fachkräftesuche. Im vergangenen Jahr seien in Deutschland 217 000 Beschäftigungsverhältnisse mit Menschen ohne deutschen Pass aufgebaut worden. Inzwischen würden bei uns 5,5 Millionen Menschen ohne deutschen Pass arbeiten.

Unter anderem am Beispiel von geflüchteten syrischen Männern, die nicht gezielt angeworben wurden und von denen 70 Prozent trotzdem vergleichsweise gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden konnten, möchte Andrea Nahles einen optimistischen Ausblick geben, dass Deutschland sich nicht zu verstecken braucht. Mit der dualen Ausbildung und der Möglichkeit, ohne Studiengebühren zu studieren, sei Deutschland das beliebteste nicht-englischsprachige Land bei Fachkräften. Auch das neue Einbürgerungsgesetz verbessere vieles.

Bei den kommenden Herausforderungen plädiert die Vorstandsvorsitzende der Agentur für Arbeit dafür, langfristig zu denken und ungenutzte Potenziale auszuschöpfen: „Wir haben einige Stellhebel noch nicht konsequent umgelegt“.

Über ihre persönlichen Strategien, wie sie dem Fachkräftemangel begegnen, sprachen Akteure aus der Region bei einem Podiumsgespräch.

Fabian Baldus (Baldus Medizintechnik) berichtete, er sei mehr und mehr mit Marketing beschäftigt, bei dem es darum gehe, sein Unternehmen attraktiv darzustellen. Dabei lobte er den Standort Bendorf.  

Dr. Matthias Liersch von der KANN GmbH Baustoffwerke, berichtete, das von der Geschäftsleitung aktiv betriebene Thema Nachhaltigkeit sei bei den Mitarbeitenden auf positive Resonanz gestoßen, weil das in deren Augen auch eine Form der Zukunftssicherung darstelle.

Rita Emde, Prokuristin bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG), stellte die von der WFG initiierte Fachkräfteallianz, in der als Akteure die Agentur für Arbeit, die IHK, die Handwerkskammer, die Kreishandwerkerschaft, der Arbeitgeberverband und der DGB in einem Netzwerkverband zusammenarbeiten, und das Projekt „MYK auf Zack“ näher vor.

Im Anschluss nutzten die Gäste noch ausgiebig die Möglichkeit,  bei Fingerfood und Getränken zu netzwerken.